Intro
Problemaufriss
Zum Ende eines jeden Lernbereichs findet in der Schule eine Leistungsüberprüfung statt. Um in diesen gut abzuschneiden, müssen die SchülerInnen die Inhalte ihrer Mitschriften auswendig lernen, damit sie dieses Wissen dann in der Testsituation wiedergeben und anwenden können. In manchen Unterrichtsfächern reicht dieses stupide Auswendiglernen jedoch nicht aus, sodass die SchülerInnen gezwungen sind, auch Zusammenhänge zu wiederholen und zu verstehen.
Doch von wem bekommen sie diese Zusammenhänge (erneut) erklärt, wenn diese in den Heftern und Lehrbüchern nicht beziehungsweise zu kompliziert beschrieben sind?
Da die SchülerInnen in den seltensten Fällen ihreN LehrerIn fragen können, müssen sie sich selbstständig die Informationen anderweitig einholen, wobei viele auf das Internet zurückgreifen. Dieses bietet neben meist komplizierten und langen Texten im "normalen" Internet auch auf Videoportalen, wie zum Beispiel auf YouTube, viele verständliche und schülergerechte „Erklärvideos“, die zum Verstehen von Zusammenhängen und zum Lernen herangezogen werden können.
Was sind Erklärvideos?
Unter dem Begriff der „Erklärvideos“ werden im Folgenden, in Anlehnung an Karsten D. Wolf, „Filme aus Eigenproduktion" (2015, S.1) verstanden, die dem Wissenserwerb bzw. der Wissensvertiefung dienen sollen. In diesen Videos werden zum einen vielfältigste Themen einzeln erklärt und Zusammenhänge zwischen verschiedenen Themen hergestellt. Andererseits existieren auch Videos im Internet, die erläutern, „wie man etwas macht oder wie etwas funktioniert“ (ebenda). Der letztgenannte Aspekt wird speziell in dem Sub- Genre der „Videotutorials“ thematisiert, in denen „eine beobachtbare Fertigkeit oder Fähigkeit im Sinne einer vollständigen Handlung explizit zum Nachmachen vorgemacht wird“ (ebenda).
Welche Merkmale kennzeichnen Erklärvideos aus?
Der Oberbegriff der Erklärvideos lässt sich nach Wolf durch die folgenden vier Merkmale charakterisieren und damit zu anderen Videos abgrenzen: Das Merkmal…
- "Thematische Vielfalt"
besagt, dass in den Videos viele unterschiedlichste Themen aufgegriffen werden, die einerseits nur sehr oberflächlich oder andererseits auch sehr tiefgründig erläutert werden. Dadurch grenzen sich die Erklärvideos von professionellen Lehrfilmproduktionen ab, die größtenteils nur in vermarktungsfähigen Lehrfilmen zentrale Themen fokussieren.
- "Gestalterische Vielfalt"
besagt, dass jede Person ein Erklärvideo produzieren und veröffentlichen kann, unabhängig davon, ob man beispielsweise Inhaltslaie oder Inhaltsexperte, didaktisch begabt oder eher weniger begabt ist. Auch in dem mediengestalterischen Aufwand bei der Produktion und in der Dauer der einzelnen Erklärvideos kann es große Unterschiede geben.
- "Informeller Kommunikationsstil"
besagt, dass in den Erklärvideos unter anderem durch Duzen des Betrachters und einer Kommunikation auf Augenhöhe eine „nicht- bedrohliche, fehlertolerante, positive Lernatmosphäre“ (Wolf) geschaffen wird.
- "Diversität in der Autorenschaft"
besagt, dass es zu einem Thema verschiedene Videos geben kann, die sich durch die inhaltliche Qualität, durch unterschiedliches Verständnis des Themas, durch verschiedene Lernkontexte, durch differenzierte mediale Gestaltung und durch das Kommunikationsverhalten unterscheiden können.
Erklärvideos mit mathematischem Inhalt
Um einige bedeutende mathematische Sätze kommen alle Schüler in der Schullaufbahn nicht vorbei, ohne davon etwas gehört zu haben- beispielsweise die Satzgruppe des Pythagoras oder besser bekannt unter dem Namen Satz des Pythagoras. Für einige Schüler ist es je nach Schulform ausreichend, dass sie damit die Formel a²+b²=c² verbinden und durch Einsetzen von Zahlenbeispielen mit dieser Formel rechnen können- für einige Schüler ist dies jedoch unzureichend.
Der sächsische Lehrplan für Gymnasiums fordert, dass die SchülerInnen der Klassenstufe 9 im Lernbereich 3 (Rechtwinklige Dreiecke) den „Satz[...] des Pythagoras und eines Beweises dieses Satzes“ (Sächsisches Staatsministerium für Kultus, 2013, S.38) kennen und diesen „beim Berechnen von Streckenlängen, Winkelgrößen, [und] Flächeninhalten“ (ebenda) anwenden können müssen. Hierzu ist es sinnvoll der Frage nach zugehen, warum in einem rechtwinkligen Dreieck immer die genannte Formel a²+b²=c² gilt.
Diese Formel wurde am meisten in der Mathematik bewiesen, was die Sache für die SchülerInnen nicht leichter macht. Aus der Vielzahl von Beweisen (und deren Erklärungen) müssen sie den bzw. die finden, die auf ihrem Verständnisniveau durchgeführt (und erklärt) werden und somit für sie logisch erscheinen. Als oft genutztes Hilfsmittel kann auch hier YouTube verwendet werden. Gibt man beispielsweise in die Suchleiste „satz des pythagoras beweis schule“ ein, so wird das unten stehende (linke) Video als Erstes angezeigt.
Satz des Pythagoras
Satz des Pythagoras
Rechnen mit den Fingern
Verdeutlichung der oben genannten Merkmale
- Das Merkmal der "Thematischen Vielfalt" wird exemplarisch an den beiden unterschiedlichen Themen (Satz des Pythagoras bzw. Rechnen mit den Fingern) erkennbar. Des Weiteren wird bei dem linken Video das Thema tiefgründiger behandelt als im mittleren (Anzahl der Beweise).
- Das Merkmal der "Gestalterische Vielfalt" lässt sich an der animierten Gestaltung im linken Video und der weniger professionellen Produktion des rechten Videos nachweisen.
- Der "Informelle Kommunikationsstil" ist in jedem Video durch das Dutzen etc. erkennbar.
- Das Merkmal "Diversität in der Autorenschaft" lässt sich am linken und mittleren Video zeigen, da hier zu einem Thema unterschiedliche Herangehensweisen an den Beweis und auch verschiedene Lernkontexte (in der Mitte viel mit geschichtlichem Hintergrund) erkennbar sind.
Vor- und Nachteile
Studien / E-Learning
Studien:
Bremer Befragung zur Nutzung, Produktion und Publikation von Onlinevideos
(2011-12 durchgeführt, nicht repräsentativ)
Für die Studie wurden 249 SuS befragt. Die SuS besuchten die Klassen 8, 10 und 13. Die befragten SuS besuchten unterschiedliche Schulformen. Die Befragung deutet an, dass SuS Youtube nicht nur als Unterhaltungsplattform nutzen, sondern auch eine Nutzung als audio-visuelle Enzyklopädie stattfindet. Die Auswertung der Daten ergab, dass zumindest gelegentlich eine Nutzung von Erklärvideos für naturwissenschaftliche Fächer von ca. 60 Prozent der SuS erfolgt. Für den Mathematikunterricht liegt die Nutzung nocheinmal 5 Prozent höher. Ebenfalls 60 Prozent gaben an, Erklärvideos auf Youtube zur Vorbereitung für Arbeiten, Referaten und Präsentationen zu nutzen. 80 Prozent der befragten SuS gaben an bereits zur Vorbereitung auf eine Klassenarbeit ein Erklärvideo genutzt zu haben. Wichtige Merkmale waren für sie dabei eine verständliche Sprache (Von 88 Prozent angegeben), der richtige Inhalt der Videos (Von 85 Prozent angegeben)und eine gute Strukturierung des Erklärvideos (Von 75 Prozent angegeben). Spanung, Witz, Ausführlichkeit, viele Beispiele und eine sympathische Erklärperson waren jeweils 68 Prozent der befragten SuS wichtig.
Bitkom e.V. Digitale Schule - vernetzes Lernen
(2014 Bundesweit 502 LehrerInnen und 512 SuS der SEK 1 im Alter von 14-19 Jahren befragt)
Laut dieser Studie sollen aus Sicht der Schüler am meisten Lernvideos stärker im Unterricht eingesetzt werden. Dies nennen 71 Prozent der SuS, gefolgt von Lernprogrammen und Lernapps mit 37 Prozent. 41 Prozent der befragten SuS gaben an, Lernvideos in ihrer Freizeit zum Lernen zu nutzen. Lernvideos werden damit am meisten genannt, gefolgt von der Nutzung von Online-Kursen mit einer Nennung von 15 Prozent. Dabei zeigt die Studie, dass ältere SuS die Möglichkeit von Lernvideos um 4 Prozent mehr angaben, als jüngere SuS. (40 Prozent der 14 - 16 Jährigen SuS und 44 Prozent der 17 - 19 Jährigen SuS)
Wirkung von Erklärvideos auf SuS
Erklärvideos verwenden flache Hierarchien. Meist werden die Nutzer "Gedutzt". Die Erklärer wirken oftmals nicht wie eine Lehrkraft. Von den Produzenten wird gern Humor bei der Gestaltung eines Videos eingesetzt. Es wird eine Atmosphäre aufgebaut welche nicht bedrohlich wirkt und fehlertolerant ist. Eine positive Lernatmosphäre wird geschaffen. Generell besteht kein Zwang ein Erklärvideo anzuschauen. Die Nutzung erfolgt aus eigenem Antrieb. Durch die große Auswahl an Erklärvideos und vorhandenen Parallelproduktionen kann ein Erklärvideo ausgewählt werden, das nach eigener Ansicht am geeignetsten zum Nutzer passt. Erklärvideos strahlen eine hohe Attraktivität auf Nutzer aus. Erklärvideos bieten den SuS Anreize in Kommunikation zu treten. Dabei ist sowohl der Austausch über ein gesehenes Erklärvideo möglich. Als auch die mögliche Diskussion über verschiedene Erklärvideos in den Kommentarfeldern oder andereren Interaktionsangeboten. Dort kommt es sowohl zum Austausch zwischen verschiedenen Anschauenden aber auch zum Austausch zwischen Anschauenden und Produzent. Es entsteht für alle Teilnehmer eine neue Metakommunikationsebene. Audio-visuelle Formate an sich haben ohne weitere Beschäftigung bzw. Verarbeitung wenig vermittelnde Wirkung auf die SuS.
E-Learning:
Elektrische und digitale Medien werden zur Präsentation und Distribution von Lernmaterialien genutzt. Darunter fallen auch Erklärvideos. Es ist eine große Themenvielfalt durch Plattformen wie Youtube gegeben. Was man wissen will, kann man sich per Video erklären lassen. Dabei ist das Angebot sehr breit gefächert. Je nach Nutzung kommt es zur Anwendung verschiedener Lernstrategien.
Vor- und Nachteile
Vorteile von Erklärvideos:
Erklärvideos sind via Internet und sobald eine Abspielmöglichkeit zur Verfügung steht immer verfügbar. Ein Gang zur Bibliothek bleibt beispielsweise erspart. Ein schneller Zugriff ist möglich. Erklärvideos decken eine äußerst breite Themenvielfalt ab und bieten meist für ein Thema verschiedene Auswahlmöglichkeiten an. Dadurch ist die Möglichkeit gegeben, dass ein Erklärvideo gefunden wird, welches der individuellen Präferenz im Erklärstil, Vorkenntnissen und Bildungshabitus entspricht. Bei Bedarf ist eine unbegrenzte Wiederholung möglich. Eine vielfältige Nutzung ist möglich. (Erstellung, Vergleich, Einbettung in den Unterricht, Unterrichtsvorbereitung, Unterrichtsnachbereitung etc.) Je nach Nutzung kommt es zur Förderung unterschiedlicher Kompetenzen. (Planung, Reflektion, vertiefte Auseinandersetzung & Permanenz) Angebote zur Kommunikation über Anschauungszahlen, Likes aber auch Kommentare zum Austausch, Lob und Kritik. Somit ist auch eine Bewertung und Vorsortierung für den Nutzer möglich. Im Erklärvideo selbst kann vor- und zurückgespult werden. Für die heutige Generation stellen Videoportale ein gern genutztes und leicht zugängliches Medium dar.
Nachteile von Erklärvideos:
Es findet keinerlei Zulassung oder direkte Kontrolle für den Inhalt des Erklärvideos. Ein Erklärvideo kennt nicht, wie ein Lehrer, die Stärken und Schwächen seiner SuS. Dadurch kann es auch nicht individuell auf den Nutzer eingehen. Der Nutzer muss in der Lage sein, passende Erklärvideos zu filtern. Aufgezeigte Lösungswege müssen nicht immer mit den von den Lehrkräften geforderten übereinstimmen bzw. den Lehrkraftsvorstellungen entsprechen. Die fachliche Richtigkeit muss nicht gegeben sein. Die fachliche Qualität fällt unterschiedlich aus. Es exisitieren auch Erklärvideos, welche einen komplett falschen Inhalt vermitteln.
Unterteilung von Erklärvideos
Im vorherigen Abschnitt wurden allgemein die Vor- und Nachteile von Erklärvideos sowie deren Nutzung von Kindern und Jugendlichen erläutert. Im Folgendem soll die Frage geklärt werden, welche Einsatzmöglichkeiten für Schule und Unterricht bestehen. Um dies zu ergründen ist es nötig die Videos nach Rezipienten und Produzierenden zu systematisieren, da diese Rollen sowohl von LehrerInnen und SchülerInnen eingenommen werden können.
Produzent: Lehrkräfte, Rezipient: Lehrkräfte
Bei dieser eher formellen Weiterbildungsform lernen LehrerInnen von anderen Erklärprofis, die ebenfalls Lehrkräfte sind. Das Fachwissen ist (meist) auf beiden Seiten vorhanden, sodass vor allem die didaktische Vermittlung eine zentrale Rolle spielt. Lehrpersonen können Ideen sammeln, wie man Inhalte darbringen kann.
Produzent: Lehrkräfte, Rezipient: SchülerInnen
Bei dieser Konstellation erstellen LehrerInnen Erklärvideos, die auf SchülerInnen als passive Rezipienten ausgelegt sind. Diese erhalten dadurch die Sicherheit „richtige“ Inhalte vermittelt zu bekommen, die professionell erklärt werden. Solche Videos können für Konzepte wie flipped oder invertet classroom genutzt werden. Ein sogenannter „umgedrehter Unterricht“ beinhaltet, dass SchülerInnen Lerninhalte zu Hause erarbeiten und im Unterricht unter Beisein von Lehrpersonen anwenden. Diese Unterrichtformen sollen dem Anspruch von Kindern und Jugendlichen an ansprechende und multimediale Lerninhalte, die einfach konsumiert werden können, gerecht werden (Vgl. Stiegler, 2015, S. 101).
Produzent: SchülerInnen, Rezipient: LehrerInnen
Im Schulalltag können Erklärvideos jedoch nicht nur von Lehrpersonen produziert werden. Kinder und Jugendliche können aktiv Filme gestalten, die den LehrerInnen die Möglichkeit geben, das bereits bestehende Vorwissen der SchülerInnen zu erfassen oder die als Grundlage für eine Förderdiagnostik dienen können. Während eines Projektes können die Lernenden außerdem eine formative Prozessdokumentation mittels Videos gestalten. Das Endprodukt kann dann als Leistungsüberprüfung und Bewertungsgegenstand dienen.
Produzent: SchülerInnen, Rezipient: SchülerInnen
Erklärvideos können jedoch auch von Lernenden für MitschülerInnen gestaltet werden, wobei verschiedene Grundfragen beachtet werden müssen. Die Produzenten müssen sich bewusst machen für welchen Zuschauerkreis das Video gedreht wird, welches Vorwissen benötigt wird und welches vorausgesetzt werden kann. Außerdem müssen die SchülerInnen bedenken, welche Verständnisprobleme oder Fehler beim Inhalt typisch sind, sodass diese bei der Produktion mitbedacht werden können. Um das Erklärvideo interessant und anschaulich zu gestalten, müssen die Kinder und Jugendlichen außerdem überlegen, welche Beispiele, Metaphern oder Fälle passend zum Thema sind um den Verständnisprozess der Zuschauer zu unterstützen.
Einbettung in den Unterricht
Erklärvideos können auf verschiedene Weisen den Lernprozess der SchülerInnen unterstützen. Dabei kann man grundlegend das passive Rezipieren von dem aktiven Produzieren unterscheiden.
Passives Rezipieren von Erklärvideos
Beim Anschauen von Erklärvideos im Unterricht ist dringend zu beachten, dass diese nicht per se lernwirksam sind. Die Lernenden benötigen Arbeitsaufträge, die sich auf das Gesehene beziehen, um die Inhalte langfristig verankern zu können.
Karsten D. Wolf hat drei Phasen aufgestellt, die beim Rezipieren von Videos im Unterricht umgesetzt werden sollten. Zu erst schauen die SchülerInnen das oder die jeweiligen Erklärvideo/s, woraufhin eine Fragerunde anschließen sollte, die es den Kindern und Jugendlichen ermöglicht Verständnisprobleme zu äußern. Damit sich die SchülerInnen austauschen können ist es hierbei möglich die Methode „Think-Pair-Share“ anzuwenden, bei der die Lernenden zunächst eigene Fragen entwickeln, die sie dann mit einem Partner austauschen und schlussendlich im Plenum präsentieren. Außerdem können auch sogenannte „Murmelgruppen“, bei denen sich SchülerInnen in kleinen Arbeitsgruppen zusammenfinden und leise über das Gesehene sprechen, den Prozess des Fragenentwickelns unterstützen. Zum Schluss sollten vertiefende Transferaufgaben an die Lernenden gestellt werden, damit sie den Stoff verinnerlichen können.
Eine mögliche Aufgabe könnte beispielsweise die Überprüfung der fachlichen Inhalte sein, wobei verschieden schwierige Videos zur Differenzierung eingesetzt werden können. Weiterhin können kennengelernte Prinzipien auf andere Beispiele sowie Probleme überführt und angewendet werden, um einen vertiefenden Verstehensprozess zu ermöglichen.
Die Erklärvideos können natürlich auch außerhalb des eigentlichen Unterrichts als Hausaufgabe als Vorbereitung auf oder zur Nachbearbeitung von Inhalten aufgegeben werden. In der Freiarbeit können Videos ebenfalls als Quelle für die Erarbeitung eines Themas genutzt werden, die entweder durch die Lehrkraft vorgegeben oder von den SchülerInnen selbstständig recherchiert werden. Bei letzterem müssen die Merkmale von guten Erklärvideos zunächst im Unterricht thematisiert werden, da, wie bereits beschrieben, verschiedenste Kurzfilme zu einem Thema mit unterschiedlichsten Qualitäten existieren.
Mädchen mit Camcorder- CC0 Public Domain
Aktives Produzieren von Erklärvideos
Durch das eigenständige produzieren von Erklärvideos können verschiedenste Kompetenzen gefördert werden, auf die im nachfolgendem Abschnitt eingegangen wird. Allgemein wird dem Lernen durch Erklären eine tiefere Durchdringung des Inhalts als durch das reine Rezipieren nachgesagt, da man um erklären zu können zunächst selbst verstehen muss. Die SchülerInnen müssen das Erklärvideo zunächst planen, wobei sich die Verschriftlichung innerhalb eines Storyboards eignet. Dieser Schritt entspricht einer didaktischen Analyse, wobei die Performance und Verständlichkeit geprüft werden. Durch die Nachbearbeitung, bei der die Einzelsequenzen geschnitten und eventuelle Visualisierungen eingefügt werden kommt es außerdem zu einer erneuten vertiefenden Auseinandersetzung mit dem Stoff.
Das Produzieren von Erklärvideos kann auf unterschiedliche Weisen in den Unterricht eingebettet werden. Karsten D. Wolf konnte grundlegend drei Möglichkeiten der Einbindung festlegen. So könnten beispielsweise nach der Bearbeitung fachlicher Inhalte am Ende von Unterrichtseinheiten mindestens zwei Stunden zur Erstellung eines Erklärvideos anschließen. Die Lehrperson kann den SchülerInnen Themen zum Stoffgebiet anbieten oder ihnen freie Wahl bei der Erarbeitung eines Bereiches lassen. Im einfachsten Fall können Videos zur Erläuterung von Fachwörtern hergestellt werden. Um den Verstehensprozess jedoch zu intensivieren bietet es sich an größere Komplexe und Zusammenhänge erklären zu lassen.
In der zweiten Form der Einbettung wird das Produzieren eines Erklärvideos im Rahmen eines längerfristigen Projekts realisiert. Dabei müssen sich die SchülerInnen die Inhalte selbst erarbeiten und daraufhin die Gestaltung des Filmes planen. Es sollten mehrere Videos in Kleingruppen entstehen, die thematisch unterschiedlich sein können und zum Ende präsentiert werden. Dabei ist es jedoch sehr wahrscheinlich, dass die Gruppe über das Themengebiet, das sie selbst bearbeiten, mehr lernt, als durch das Anschauen der Ergebnisse ihrer MitschülerInnen, da das eigene Produzieren mehr Lerngelegenheiten bietet. Daher ist es für den Lernprozess dienlicher themengleiche Erklärvideos herstellen zu lassen, die sich dann vor allem in der didaktischen Aufarbeitung unterscheiden. Um bei der Präsentation die Aufmerksamkeit zu fördern könnte man die SchülerInnen die Gestaltung der verschiedenen Kurzfilme einschätzen lassen.
Anlässe für das Produzieren von Erklärvideos können auch über das Peer-Learning geschaffen werden. Darunter versteht man das Gleichgestellte, wie z.B. SchülerInnen sich Inhalte gegenseitig erklären. Beim Peer-Tutoring geht es um gleichaltrige Kinder und Jugendliche, sodass der Anlass für ein Erklärvideo darin liegen könnte, dass einige Lernende der Klasse(-nstufe) ein Thema nicht vollständig verstanden haben. Eine weitere Möglichkeit der Anwendung von erklärenden Kurzfilmen besteht darin, dass SchülerInnen höherer Klassen Inhalte für Kinder aus niedrigeren Klassen erläutern, was dann als Cross-Age Peer-Tutoring bezeichnet wird (Vgl. Korner, 2015, S. 25).
Kompetenzen
Geralt-Kompetenzen, CC0-Public Domain
Da vielfältige Kompetenzen einen „immer höheren Stellenwert in der heutigen Berufswelt einnehmen“ (Wegner, 2014, S. 21) und Schule auf die Arbeitswelt vorbereiten soll, müssen bereits in den Bildungseinrichtungen unterschiedlichste Fähigkeiten ausgebildet werden. Im folgendem wollen wir der Frage nachgehen, welche Kompetenzen durch das Rezipieren sowie selbstständige Produzieren von Erklärvideos gefördert werden. Da die Fertigkeiten, die im Umgang mit erklärenden Kurzfilmen entwickelt werden können, sehr vielfältig sind, werden diese übersichtlich in einer Tabelle dargestellt, die einige, aber nicht alle Kompetenzen beinhaltet.
Rezipieren von Erklärvideos |
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Bereich |
Kompetenz |
Erklärung/Ziele |
Aktivitäts- und Umsetzungs- orientierte Kompetenzen |
Beurteilungs-vermögen |
Die SchülerInnen besitzen die Fähigkeit aus einer angemessenen Distanz heraus Vorgänge zu erfassen, diese objektiv und sachlich einzuschätzen, sodass daraus Konsequenzen gezogen werden können. |
Nutzen von Wissen und Informationen |
Die Lernenden erfahren, dass sie nicht alles wissen müssen. Sie lernen, wo welche Informationen zu finden sind und können Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden. |
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Problemlösefähigkeit |
Die Kinder und Jugendlichen können ein Problem und deren Ursache sowie Wirkung erkennen, dieses bewerten und geeignete Lösungen entwickeln. |
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Fachlich-Methodische Kompetenzen |
Fachkompetenz |
Die SchülerInnen sind in der Lage sich in ein Teilthema einzuarbeiten, dieses zu durchdringen, verstehen und unklare Aspekte benennen zu können. Dabei können sie klare, strukturierte und erkenntnisleitende Fragen zum thema formulieren. |
Schriftliches Ausdrucksvermögen |
Die Schriftsprache der Lernenden ist deutlich und verständlich. Sie verfügen über einen umfangreichen Wortschatz, der situationsgerecht angewandt wird. |
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Transferfähigkeit |
Die SchülerInnen können theoretisch Erlerntes in praktisches Handeln umsetzen und gleichzeitig die Möglichkeiten und Grenzen der Anwendung erkennen. |
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Medien-kompetenz |
Recherche |
Die Heranwachsenden kennen die Merkmale guter Erklärvideos und können passende Filme zu ihrem Thema recherchieren. |
Kompetenzentwicklung bei der Produktion
Produzieren von Erklärvideos |
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Bereich |
Kompetenz |
Erklärung/Ziele |
Personale Kompetenzen |
Durchsetzungs-vermögen |
Die Lernenden können selbstbewusst eigenständige, von anderen abweichende Meinungen vertreten und plausibel argumentieren. Dabei können sie Strategien entwickeln, um der Position Geltung zu verschaffen. |
Eigenverantwortung |
Die SchülerInnen erfahren, dass sie für ihre Entscheidungen selbst verantwortlich sind und das Situationen durch ihr Handeln mitbestimmt werden. |
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Entscheidungs-fähigkeit |
Die Kinder und Jugendlichen kennen ihren eigenen Entscheidungsfreiraum und erkennen die damit verbundene Verantwortung. Sie setzen sich Prioritäten und bedenken mögliche Folgen. |
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Kreativität |
Die SchülerInnen sind experimentierfreudig, sind bereit neue Wege zu gehen und entwickeln auch ungewöhnliche, unkonventionelle Ideen. |
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Verbales Ausdrucksvermögen |
Die Heranwachsenden können Gedanken, Pläne und Ziele auf den Punkt bringen und für andere präzise erklären. Dabei beschränken sie sich auf das Wesentliche und nutzen einen umfangreichen, abwechslungsreichen Wortschatz. Die dabei formulierten Sätze sind vollständig und grammatikalisch korrekt. |
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Zielorientiertes Handeln |
Die Lernenden setzen sich anspruchsvolle, erreichbare Ziele und formulieren dabei Realisierungsschritte. Sie verlieren auch bei schwierigen Situationen das Ziel nicht aus den Augen und verfolgen den gesetzten Zeitrahmen. |
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Sozial- Kommunika-tive Kompetenzen |
Anpassungs- und Integrationsfähigkeit |
Die SchülerInnen können ihr Verhalten situativ an Veränderungen anpassen und zeigen Bereitschaft sich in eine bestehende Gruppe zu integrieren. |
Kommunikations-fähigkeit |
Die Lernenden können mit mehreren Partnern ein Gespräch führen oder einzelnen aufmerksam zuhören. Dabei vermitteln sie ihren Gesprächspartnern Wertschätzung und Achtung. |
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Konfliktmanagement |
Die Kinder und Jugendlichen können in Konfliktsituationen mit verschiedenen Sichtweisen konstruktiv umgehen und die Ursache von Konflikten erkennen. Sie trauen sich zu die Probleme anzusprechen und entwickeln Lösungen und Kompromisse, die für alle akzeptabel sind. |
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Teamfähigkeit |
Die SchülerInnen besitzen die Fähigkeit fair und kollegial im Team gemeinsam Ziele zu definieren und zu erreichen. |
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Aktivitäts- und Umsetzungs- orientierte Kompetenzen |
Organisations-fähigkeiz |
Die Kinder und Jugendlichen können verschiedene Arbeitsaufgaben miteinander koordinieren und in eine sinnvolle Abfolge bringen. |
Zeitmanagement |
Die Lernenden können gestellte Aufgaben und Ziele im vereinbarten Zeitrahmen lösen. Dabei entwickeln sie realisierbare Zeitpläne. |
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Fachlich-methodische Kompetenzen |
Visualisierungs- und Präsentations-techniken |
Die Kinder und Jugendlichen können Präsentationen zielgerichtet und zielgruppenorientiert planen und spannend gestalten. |
Technische Umsetzung |
Die SchülerInnen kennen technische Möglichkeiten zur Erstellung von Erklärvideos und beherrschen technische Aspekte des Veröffentlichen von Videos im Netz. |
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Sicherer Umgang mit Eingabegeräten |
Die Heranwachsenden kennen die Bedeutung sämtlicher Tasten der Tastatur sowie der Maus und können diese korrekt verwenden. |
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Verwaltung von Dateien |
Die SchülerInnen können die verwendeten Dateien in Ordnern sinnvoll systematisieren. |
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Grafische Anwendung |
Die Lernenden sind in der Lage Bilder und Grafiken in den verwendeten Programmen einzubinden. |
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Medien-kompetenz |
Mediengestaltung |
Die Kinder und Jugendlichen kennen die Merkmale guter Erklärvidoes und können diese bei der Umsetzung ihres Kurzfilmes umsetzen. |
Fähigkeit zur Reflexion |
Die SchülerInnen können ihr eigenes Medienverhalten reflektieren und die Entwicklungen im Bereich Medien kritisch beurteilen. |
Technische Umsetzung
Das Produzieren von Erklärvideos fördert, wie in der vorangegangenen Tabelle zu sehen, vielfältige Kompetenzen. Doch wie können LehrerInnen, bzw. SchülerInnen dies technisch umsetzen?
Durch die heutige Technisierung gibt es viele Hilfsmittel, die eine Videoaufnahmefunktion bieten. Smartphones, Tablets, Camcorder und Actioncams können zur Aufnahme verwendet werden. Dabei sollte jedoch stets darauf geachtet werden, dass auch die Tonaufnahme von ausreichender Qualität ist.
Im einfachsten Fall können einzelne Sequenzen in Takes aufgenommen werden. Die misslungenen Aufnahmen werden dann gelöscht und die Einzelvideos in einem Player hintereinander abgespielt. Bei dieser Form ist kein Schnittprogramm erforderlich.
Um ein professionelleres Ergebnis zu erzielen, das den Ansprüchen der SchülerInnen gerecht wird, sollten die Videos jedoch geschnitten werden. Die Arbeit mit diesen Programmen schult einerseits weitere Kompetenzen im Hinblick auf Videoverarbeitung und ermöglicht es außerdem Grafiken und Effekte einzubinden. Es gibt eine Reihe von Schnittprogrammen die für die NutzerInnen kostenlos sind, sodass für die Schule keine weiteren Kosten entstehen. Für die Bearbeitung am Smartphone kann man beispielsweise ein Youtube-Capture verwenden. Dies erfordert jedoch, dass pro Kleingruppe mindestens ein Smartphone vorhanden ist. Für das Schneiden an schuleigenen Computern gibt es auch eine Reihe von kostenlosen Programmen, z.B. VSDC Free Video, Avidemux oder Lightworks. Die Plattformen Youtube und Vimeo bieten außerdem eine Onlinebearbeitung an.
Tischvideo
Die SchülerInnen haben unterschiedlichste Möglichkeiten bei der Produktion von Erklärvideos. Im Folgendem soll eine Form genauer erläutert werden.
Beim sogenannten Tischvideo werden alle Materialien (Ausdrucke, Fotos, reale Gegenstände usw.) analog erstellt und auf einem Tisch in den gefilmten Bereich gezogen, positioniert und eventuell wieder entfernt. Das Aufnahmegerät ist idealerweise auf einem Stativ senkrecht auf den Tisch gerichtet. Dabei gibt es verschiedene Rollen, die von den ProduzentInnen eingenommen werden können, wie z.B. MaterialbewegerIn, Kameramann/-frau und SprecherIn.
Wichtig für ein optimales Ergebnis sind dabei die ausreichende Belichtung und das großformatige Filmen, bei dem möglichst wenig leere Tischfläche im Bild ist.
Idee zur Erstellung eines Tischvideos
vertiefende Links
Storyboard:
http://www.teachsam.de/deutsch/film/film_storyboard_3_1.htm
http://tex-block.de/zeichnen/storyboard-erstellen-kleines-tutorial/2110/
Vor- und Nachteile einiger kostenloser Schnittprogramme:
https://www.youtube.com/watch?v=Pnb7PYEgWlo
Anleitung zur Erstellung eines Erklärvideos:
https://www.explain-it.tv/erklaervideos-selber-machen
kostenlose Software zum Erstellen von Erklärvidoes:
Literatur
Literatur
- Korner, Marianne: Cross-Age Peer Tutoring in Physik: Evaluation einer Unterrichtsmethode (Studien zum Physik- und Chemielernen), Logos Berlin, 2015
- Stiegler, Christian: New Media Culture: Mediale Phänomene der Netzkultur, transcript, Auflage: 1., Bielefeld, 2015
- Wegner, Jörg: Kooperatives Lernen als Vorbereitung auf die Arbeitswelt: Kompetenzen in der Schule vermitteln, Diplomica Verlag; Auflage: 1 2014
- Wolf, Karsten D.: Bildungspotenziale von Erklärvideos und Tutorials auf YouTube: Audio-Visuelle Enzyklopädie, adressatengerechtes Bildungsfernsehen, Lehr-Lern-Strategie oder partizipative Peer
Education? In merz 1, 2015 - Wolf, Karsten; Kulgemeyer, Christoph: Lernen mit Videos? Erklärvideos im Physikunterricht. In: Naturwissenschaften im Unterricht Physik 27 (152) (0000), 36-41
Internetquellen
- Sächsisches Staatsministerium für Kultus: Lehrplan Gymnasium-Mathematik, verfügbar unter: http://www.schule.sachsen.de/lpdb/web/downloads/1530_lp_gy_mathematik_2013.pdf?v2 (letzter Zugriff 22.05.16, 21:56)
- Digitale Schule - vernetztes Lernen: Ergebnisse repräsentativer Schüler- und Lehrerbefragungen zum Einsatz digitaler Medien im Schulunterricht, verfügbar unter: https://www.bitkom.org/Publikationen/2015/Studien/Digitale-SchulevernetztesLernen/BITKOM-Studie-Digitale-Schule-2015.pdf (letzter Zugriff 23.05.16, 11:52)