Exkurs Biografie

  • 1944 in Ratibor geboren (aktuell 72 Jahre alt)
  • deutscher Psychologe & Literaturwissenschaftler
  • 1973 bis 1994 Professor für Allgemeine Psychologie & Psycholinguistik an der Uni Heidelberg
  • 1994 bis 2007 Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Psychologie und Kulturpsychologie an der Uni Köln
  • seit 1993 Honorarprofessor für Allgemeine und Empirische Literaturwissenschaft an der Uni Mannheim & seit 2012 an der Uni Heidelberg
  • 2002 Entwicklung des Medienkompetenzmodells
  • Forschungsschwerpunkte:
    • Sozial- u. Kulturwissenschaftliche Psychologie
    • Psychologische Anthropologie
    • Psychologie der Sprache & Textverarbeitung
    • Empirische Literaturpsychologie & Literaturwissenschaft
    • Kognitive u. Lern-Psychologie
    • menschliche Kreativität
    (vgl. Karwath 2016, Online im Internet)

Hintergrundwissen zum Medienkompetenzmodell nach Groeben

Explikation des Konzepts Medienkompetenz

  • impliziert Medien-Begriff mittlerer Reichweite: „[U]nter Medien sollen vor allem technologische Kommunikationsmittel bzw. -instrumente verstanden werden, ohne aber zu vernachlässigen, dass damit auch Sozialisationsinstanzen vorliegen, die das Selbst- und Weltbild der Individuen beeinflussen.“ (Groeben 2006, S. 160)
  • folglich bedient Konstrukt Medienkompetenz das mittlere Abstraktionsniveau
  • Auswirkungen auf Binnen- und Außendifferenzierung:

(1) Binnendifferenzierung

  • Vermeidung zu spezifischer / konkreter Subkonzepte (Medien-Begriff minimaler Reichweite)
  • Subkonzepte (bzgl. Fähigkeits- & Fertigkeitsaufbau): print literacy (Lese- und Schreibfähigkeit), media content literacy (Umgang mit Medieninhalten), medium literacy (Medium erkennen)

(2) Außendifferenzierung

  • Vermeidung zu abstrakter Generalisierungen (Medien-Begriff maximaler Reichweite)
    1. medienpädagogisch-psychologische Konzepte - Berücksichtigung der technischen, kognitiven, emotionalen und sozialen Perspektive: Strukturierung von Groebel mit über 20 Teilkomponenten
    2. Prozessperspektive - Abfolge medialer Verarbeitungsprozesse: (1) Hobbs "Basic Processes of Literacy: Access, Analyze, Evaluate and Communicate"; (2) Aufenanger "Prozessuale Reihung: Wissen, Verstehen, Beurteilen, Genießen, Handeln"
    3. Entwicklungsgeschichte der Medienpädagogik - Inhalt der Dimensionen: Entwicklung der Medienpädagogik nach Baacke, Fröhlich und Tulodziecki (⇒"Fünf Konzepte der Medienerziehung")

  • Problem: schneller Wandel im medialen Bereich
  • Lösung: Kombination aus intentionaler Bestimmtheit und extensionaler Offenheit

 

Die sieben Dimensionen

  • Zuordnung bestimmter Fähigkeiten und Fertigkeiten
  • stichwortartige Ausformulierung für extensionale Offenheit ⇒ offen für Ergänzungen zukünftiger theoretischer Weiterentwicklungen
  • Eigenschaften: differenziert vs. integrativ / ausdifferenziert vs. komprimiert

(vgl. Groeben 2006, S. 160-166)

Anthropologische Verankerung

Groebens Ziel ist der Medienkompetenz- erwerb beim Individuum mithilfe seines Modells, um dadurch ein gesellschaftlich handlungsfähiges Subjekt zu werden.

Normativer Diskurs

In der Auseinandersetzung mit übergeordneten Kompetenz-Konstrukten, die einen Medien-Begriff maximaler Reichweite transportieren, wird das Konstrukt Medienkompetenz zu einer Reflexionskompetenz bzw. Meta-Medienkompetenz.

Konstrukt mittlerer Reichweite

Das Konzept Medienkompetenz bedient sich dem Medien-Begiff mittlerer Reichweite, wodurch es sich vom Medien-Begriff minimaler und maximaler Reichweite abgrenzt. Demzufolge ist das Konstukt auf mittlerem Abstraktionsniveau zu verorten; d.h. ein zu spezifischer oder abstrakter Medienbezug sollte vermieden werden, damit eine empirische Operationalisierung realisierbar wird.

Psychologische Grundprozesse

Die Psychologischen Grundprozesse, die mit dem Erwerb der Medienkompetenz in Bezug auf das Modell einhergehen sollen, dürfen nicht zu weit ausdifferenziert werden. Groeben bezieht sich aus diesem Grund auf die oben genannte Prozessperspektive, wodurch er sich schließlich auf die psychologischen Teilfertigkeiten und -fähigkeiten Kognition, Emotion, Motivation, Kulturspezifische Sozialisation beschränkt. Dabei ist der Aspekt der Emotion als revolutionär anzusehen, da beispielsweise die Teildimension Genussfähigkeit ihre Berechtigung erst durchgesetzt hat.

 

(vgl. Groeben 2006, S. 160-166)

Ausschnitt Medienkompetenzmodell (Teilkompetenzen)

Wissen und Bewusstsein

Anhand der Prozessperspektive stellen Medienwissen und Medialitätsbewusstsein die Voraussetzungen für die nächste Stufe dar. Unter Medienwissen lässt sich aktuell das Wissen über rechtliche Rahmenbedingungen,  Arbeits- und Operationsweisen, qualitativ hochwertige Medieninhalte, Intentionsbewertungen und  die Wirkung der Medien zusammenfassen. Das Medialitätsbewusstsein hingegen ist die Fähigkeit, zwischen Lebensrealität und medialen Konstruktionen unterscheiden zu können.

Rezeptionsmuster

Aufgrund der medienspezifischen Verarbeitung kommt es zur Entwicklung von Rezeptionsmustern. Diese Dimension beinhaltet einerseits die technologisch-instrumentellen Fertigkeiten, welche einen kompetenten Umgang mit neueren und klassischen Medien umfassen, und andererseits die medienspezifischen Verarbeitungsmuster bei jeglichen Printmedien, welche die Beherrschung unterschiedlicher Strategien zur Verarbeitung innerhalb eines Mediums oder zwischen mehreren Medien voraussetzen. Dabei bauen die MediennutzerInnen Erwartungen hinsichtlich der Funktion des Mediengebrauchs auf, um entweder negative Effekte zu umgehen oder positive Effekte zu verstärken.

Genussfähigkeit

Nach Groeben ist die medienbezogene Genussfähigkeit der entscheidende Faktor für die Motivation bei der Medienrezeption. Laut der Konstanzer Rezeptionsästhetik resultiert sie zum Beispiel aus der Identifikation mit dem Protagonisten. "Unterhaltung" stellt für den Menschen ein anthropologisches Grundbedürfnis dar.

Beispiel

Lernprogramme für die individuellen Bereiche z.B. Addy Junior (naturwissenschaftlicher Bereich)

Kritikfähigkeit

Medienbezogene Kritikfähigkeit ist der Kernbereich aller Medienkompetenz-Konzeptualisierungen. MediennutzerInnen sollten sich nicht von der Vielzahl an Angeboten überwältigen lassen, sondern selbst eine eigenständige, begründete Position dem Medium gegenüber einnehmen. Dafür ist eine kognitive Analyse und die Fähigkeit zur Bewertung notwendig. Die SchülerInnen sollen im Deutschunterricht zum Beispiel kritisch bezüglich des Inhalts und der Form mit den zu lesenden Texten umgehen.

Beispiel

Kritischer Umgang mit von der Lehrkraft zur Verfügung gestelltem Material.

Bsp.: Textverarbeitung im Fach Deutsch

Selektion/ Kombination

Durch den fortwährenden medialen Wandel sind die Medien mittlerweile als entscheidende Sozialisationsinstanzen und Instanzen zur Wirklichkeitskonstruktion anzusehen. In der Schule sollte die Lehrkraft in der Lage sein, aus einer Vielzahl von medialen Angeboten eins auszuwählen, welches auf die Bedürfnislage der SchülerInnen, die Zielsetzung und die Problemstellung des Unterrichts passt. Diese Fähigkeit setzt ein umfangreiches Medienwissen voraus. Um Eintönigkeit im Unterricht zu vermeiden, sollten ebenso verschiedene Medien miteinander kombiniert werden.

Beispiel

Einsatz von verschiedenen Medien, wie Smartboards unterstützt durch Tafelarbeit und Videomaterial.

Partizipationsmuster

Gerade in Bezug auf elektronische Medien ist laut Groeben eine adäquate Mediennutzung stets mit einer aktiven Partizipation verbunden. Partizipation trägt zur Identitätsentwicklung des gesellschaftlich handlungsfähigen Subjekts bei.

Beispiel

Hierzu besteht die Möglichkeit der Nutzung von digitalen Medien, wie z.B. Etherpads.

Beispiele für Partizipationsmöglichkeiten sind die persönliche Kommunikation via Chat und Email oder das Auswählen von literarischen Lesestoffen auf Grundlage der peer-group Empfehlungen und Zeitungsrezensionen.

Anschlusskommunikation

Unter Anschlusskommunikation versteht man die Kommunikation, die außerhalb der medienspezifischen beziehungsweise -bezogenen Rezeptions- und Partizipationsmustern ablaufen. Durch die Anschlusskommunikation wird gewährleistet, dass Kinder und Jugendliche Teilkompetenzen - wie medienbezogene Kritik- und Genussfähigkeit - entwickeln können. Denn nur durch die Anschlusskommunikation wird nach Groeben der Unterschied zwischen Alltags- und Fernsehwirklichkeit deutlich. Weiterhin werden Strategien zur Verarbeitung und Bewertung der medialen Angebote erworben.

(vgl. Groeben 2006)

Stärken & Schwächen

  • Stärke:

    • Versuch des Fassbarmachens der „dimensionalen Binnenstruktur“

    • Zugänglichkeit für empirische Forschung
  • Schwächen:

    • In den sieben Teildimensionen werden Prozess-, Gegenstands- und Fähigkeitsaspekte vermischt → Konstrukt wird auf verschiedenen Ebenen verortet → unterschiedliche perspektivische Sichtweisen nicht hinreichend reflektierbar

    • für die Deutschdidaktik zu allgemein gehalten und keine konkreten Fragestellungen bzw. praktischen Anwendungshinweise

    (vgl.Frederking/Krommer, 2013, S.109)

Quellen

  • Karwath, André : Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Norbert Groeben. 2016. Online im Internet: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Norbert_Groeben&oldid=154500109 [Stand: 25.05.2016]
  • Groeben, Norbert: Dimensionen der Medienkompetenz: Deskriptive und normative Aspekte. In: Groeben, Norbert / Hurrelmann, Bettina (Hrsg.): Medienkompetenz. Voraussetzungen, Dimensionen, Funktionen. Weinheim, München: Juventa. 2006, S. 160-197
  • Modell: Groeben, Norbert: Medienkompetenz. In: R. Mangold, P. Vorderer & G. Bente (Hrsg.), Lehrbuch der Medienpsychologie, Göttingen: Hogrefe. 2004, S. 47.
  • Frederking, Volker/Krommer, Axel: Mediale Bildung im symmedialen Deutschunterricht. In: PirnerManfred L.  /  PfeifferWolfgang / Uphues Rainer (Hrsg.): Medienbildung in schulischen Kontexten. Erziehungswissenschaftliche und fachdidaktische Perspektiven. Unter Mitarbeit von Andrea Roth. Schriftenreihe Medienpädagogik interdisziplinär, Band 9, München. 2013, S. 107-123